Was heute mit dem Begriff Fliegeruhren assoziiert wird oder was man gemeinhin im Uhrenfachgeschäft um die Ecke oder in der entsprechenden Abteilung eines Kaufhauses vorfindet, hat mit dem ursprünglichen Konzept einer sogenannten „Fliegeruhr“ eher wenig zu tun. Völlig mit kryptischer Information überladene Zifferblätter, bunte oder gar goldene Gehäuse sowie markig daherkommende Stahlarmbänder tragen zwar irgendwelchen Moden Rechnung, zitieren aber bestenfalls die „echten“ Fliegeruhren-Modelle. Für die Entwicklung dieses neuen Uhrentyps analog zur Entstehung der Fliegerei galt damals vielmehr das Prinzip „Form follows Function“.
Als erster Hersteller am Start: Cartier
Der brasilianische Flugpionier Alberto Santos Dumont war es, der bei seinen Flügen mit von ihm selbst entwickelten Luftschiffen feststellte, dass das Ablesen einer Taschenuhr während des Fluges sehr schwierig war. Deshalb entwickelte der spätere Pilot des ersten Motorflugs mit einem damaligen Freund , dem Pariser Uhrmacher Louis-François Cartier, eine speziell für seine Zwecke geeignete Armbanduhr – das „Modell Santos“, eines der ersten Fliegeruhr-Modelle der Welt. Analog zur dynamischen Entwicklung der Luftfahrt folgten frühe Uhrenmodelle anderer Hersteller, und der erste Weltkrieg tat als Innovationsschub in Sachen Technik ein Übriges. So gab es bereits für die Marine bereits erste Armbanduhren vor dem Krieg – sogenannte B(eobachtungs)-Uhren, die für nautische Berechnungen benötigt wurden und den ersten Fliegeruhren bereits weitgehend ähnelten. Eine kleine Petitesse am Rande: Armbanduhren galten kurz nach der Jahrhundertwende als nur für Frauen als „schicklich“ – für den Herren wurden sie erst durch den Praxiswert im militärischen Kontext gesellschaftlich „tragbar“.
Innovation im Anflug
Viele militärische und zivile Fliegeruhren aus der Ära der Doppeldecker und Aluminiumflügler zeichneten sich durch Merkmale aus, die sich auch in Uhren späterer Generationen wiederfinden:
- Robustheit
- gute Ablesbarkeit von Ziffern, Zeigern und (großem) Zifferblatt, auch im Dunkeln
- Unempfindlichkeit gegen Umwelteinflüsse wie Wasser, Luftdruck
- Große Krone und Drücker, die ein Aufziehen bzw. Drücken auch mit Handschuhen ermöglichen
- Start-Stopp-Funktion, um u.a. Entfernungen schnell berechnen zu können
- Eine Lünette
Häufig hatten die Uhren lange, überdimensionierte Leder-Armbänder: Sie dienten dazu, den Zeitmesser über dem Ärmel der Fliegerjacke zu tragen.
Überflieger aus Deutschland
In den 30-er Jahren erfuhren die Zeitmesser für Piloten dann weitere Neuerungen – dabei taten sich besonders die deutschen Uhrenmanufakturen hervor. Unternehmen wie Hanhart, Tutima, Junghans oder Stowa profitierten von der Wiederaufrüstung des nationalsozialistischen Deutschlands und konstruierten Fliegeruhren für die damalige Luftwaffe, die auch heute noch wegen ihrer Zuverlässigkeit und mechanischen Ganggenauigkeit einen legendären Ruf besitzen. Hanhart beispielsweise entwickelte den Eindrücker-Chronographen Kaliber 40, der es möglich machte, die Start- und Stoppfunktion einhändig und in Handschuhen zu betätigen. Berühmt in Liebhaberkreisen wurde auch der Fliegerchronograph 1941 aus dem Hause Glashütter Uhrenfabrik (UFAG/UROFA), der als offizielle Replik von Tutima nach dem Krieg bis in die Gegenwart gefertigt wurde.
Erfolgreiche Landung im Wirtschaftswunder
Beispielsweise mit dem Junghans-Chronographen des Kalibers J88, der bereits 1946 entwickelt wurde und zur ersten Fliegeruhr der noch jungen Bundeswehr avancierte – ein späteres Modell in Bundeswehr-Diensten, der Military Fliegerchronograph, stammte dann auch wieder aus dem Hause Tutima. Aber auch andere deutsche Uhrenmanufakturen drängte es in den letzten Jahren ins Cockpit: Zum Beispiel die 1961 von einem gegründete Firma Sinn, die von vornherein mit zahlreichen technologischen Neuerungen die Luftfahrt als Zielgruppe im Auge hatte und heute unter anderem die offizielle Dienstuhr der Maritimen Einheit der GSG9 fertigt.
Ob nun eine authentische Replik aus den 40-ern oder ein aktuelles Modell: Fliegerchronos aus Deutschland halten in der Regel ein Leben lang – was Preise ab ca. 1.700,– EUR für viele mehr als rechtfertigt.
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